Ab 1898 errichtete die Allgemeine Deutsche Kleinbahn Gesellschaft (ADKA) mit ihrer Tochtergesellschaft der Westpreußischen Kleinbahn AG ein rund 300km umfassendes Netz von Schmalspurbahnen mit 750mm Spurweite im Mündungsgebiet der Weichsel zwischen Danzig und Marienburg. 1905 wurde die in Teilstrecken heute noch bestehende Strecke von Danzig Kleinbahnhof über Steegen nach Stutthof errichtet.
Die Weichsel wurde dabei von einem der wenigen schmalspurigen Trajekte überbrückt. Schwerpunkt der Verkehrsaufgaben war die Abfuhr landwirtschaftlicher Produkte und die Erschließung der Städte für die ländlichen Strukturen im Hinterland. Mit der Gründung der Freien Stadt Danzig 1919 im Gefolge des 1. Weltkriegs finden sich 279 von 328 km im neuen, vom Völkerbund verwalteten Staatsgebilde wieder. Nur 49 km verblieben im Deutschen Reich. Das Eigentum blieb aber unverändert und in der Praxis blieb das Netz eine Einheit. Nach der gewaltsamen Wiedereingliederung Danzigs in das Deutsche Reich am 1. September 1939 umfasste das Netz 336 km und wurde mit 31 Lokomotiven, 40 Personenwagen, 12 Dienstwagen und 1011 (!) Güterwagen. Bereits aus der Anzahl der Güterwagen werden die Prioritäten dieses Schmalspurnetzes klar. 1945 wurde das Verkehrsgebiet der Westpreußischen Kleinbahnen zu polnischem Staatsgebiet und die Schmalspurbahnen der Staatsbahn PKP einverleibt. Das Netz um Danzig firmierte ab 1945 als Gdanska Kolej Dojazdowa. Der Strukturwandel hinterließ auch bei diesen Schmalspurbahnen seine Spuren. Ab 1956 wurde Strecke für Strecke eingestellt aber auch die Verdieselung forciert. Auch moderne Fahrzeuge aus rumänischer Produktion, schwerer Oberbau und Rollwagen konnten letztlich die Gesamteinstellung der Reststrecken durch die PKP im Jahr 1996 nicht abwenden. 2001 konnte der Landkreis Nowy Dwor Gdanski/Tiegenhof die verbliebenen 31 Streckenkilometer übernehmen. Vom Betriebsmittelpunkt mit Werkstätten Infrastruktur in Nowy Dwor Gdanski Waskotorowy/Tiegenhof Kleinbahnhof führt die Strecke nach Norden zum Dreiecksbahnhof Stegna /Steegen wo die verbliebe Teilstrecke Reste der einstigen Gesamtstrecke Gdansk Waskotorowy/Danzig Kleinbahnhof nach Piaski Gdanskie/Neukrug parallel zur Danziger Bucht, angebunden sind. Das heutige südliche Ende liegt an den Ufern der Weichsel in Prawy Brzeg Wisly/ Rechtes Weichselufer nahe Stelle wo einst das Eisenbahntrajekt den Fluss querte. Das östliche Streckenende liegt heute in Sztutowo/Stutthof. Dieser Ort hat es in der Geschichte des 20. Jahrhundert zu trauriger Berühmtheit gebracht. Bereits am 2. September 1939 (!), also nur einen Tag nach Beginn des 2. Weltkriegs wurden die ersten Häftlinge in dieses Konzentrationslager an der Danziger Bucht eingeliefert. Auch die Kleinbahn hatte dabei ihre Leistungen zu erbringen um die industrielle Ermordung von 65.000 Menschen bis 1945 zu unterstützen.
Seit 2003 wurde der touristische Personenverkehr, besonders entlang der Ostseeküste mit seinen attraktiven Badeorten unter privater Initiative wiederbelebt. Heute betreibt die Stowarzyszenie Kolei Dojazdowej (SGDZ)/Kleinbahngesellschaft mit wenigen hauptamtlichen Eisenbahnern aber umso mehr motivierten Freiwilligen den saisonalen Personenverkehr. Letzterer weist immerhin rund 90.000 Fahrgäste/Jahr auf, sodass ernsthaft bei Eigentümern und Betreibern über eine Ganzjahresbetrieb im ÖPNV nachgedacht wird. Aktuell verkehren in der Vor- und Nachsaison 4 Zugpaare, in der Hauptsaison 5 Zugpaare auf der Küstenstrecke. Im Mai und September verkehren die Züge an Wochenenden und Feiertagen, im Juni, Juli und August täglich. Die Bahnhöfe und Haltepunkte der Schmalspurbahn sind von Danzig mit der Buslinie 870 gut erreichbar – einen Besuch ist die Schmalspurbahn in jedem Fall wert, taucht man doch so in die Geschichte einer preußisch/polnischen Kleinbahn mit ihrem unverwechselbaren Charme ein.
- 586: Triebwagentreffen in Stegna/Steegen – zwei Triebwagen MBxd2, links der 304 (ex 1000 mm umgespurt auf 750 mm Spurweite ), rechts der 212. 1984 – 1986 beschafften die PKP bei FAUR in Rumänien 32 dieser dieselhydraulischen
Triebwagen und 100 dazu passende vierachsige Beiwagen für die Spurweiten 1000 mm und 750 mm.
- 529: Bahnhofschild in Stegna Gdanzka/Steegen
- 531/32: Blick in den Führerstand und den spartanischen Fahrgastraum des MBxd2 212
- 541: MBxd2 212 am Haltepunkt Sztutowo Muzeum/Stutthof Museum – dem Einganz zur Gedenkstätte des dortigen ehemaligen Konzentrationslagers
- 545: MBxd2 212 am Gleisdreieck Sztutowo/Stutthof – das rechte Gleis führte nach 1945 nur kurze Zeit bis Piaski Gdanskie/Neukrug und wurde zur Evakuierung der über das zugefrorene Haff flüchtende Bevölkerung bei Kriegsende gebaut
- 549: MBxd2 212 in Stegna Gdanzka/Steegen – im Hintergrund das seinerzeitige Beamtenwohnhaus der Westpreußischen Kleinbahnen
- 553/54/58: MBxd2 212 zwischen Jantar/Pasewark und Mikoszewo/Nickelswalde
- 562: MBxd2 212 im heutigen Endbahnhof Prawy Brzeg Wisly/Rechtes Weichselufer – bis 1956 führte die Strecke mittels Spitzkehre über den Damm der Weichsel zum Trajektanleger
- 569: Bxhpi 00-450024 136-1 der passende Beiwagen zu den Triebwagen rumänischer Herkunft in Stegna Gdanzka/Steegen
- 570: Ein fahrbares Baulager – ein ehemaliger G Wagen aufgeschemelt in Stegna Gdanzka/Steegen
- 573: Vierachsiger geschlossener Güterwagen 000 924 40351-8 in Stegna Gdanzka/Steegen
- 580: Auch eine Unio aus Satu Mare (vormals Oberschlesien) findet sich für Bauzugeinsätze
Fotos: Gunter Mackinger 27.April 2024 |