PROLOG
Der öffentliche Personennahverkehr im Bereich der Stadt Wien wird zum überwiegenden Teil von den Wiener Linien abgewickelt.
Dabei stützt man sich auf drei Betriebszweige - U-Bahn, Straßenbahn und Autobus.
Anfang der 90er Jahre waren die meisten im Einsatz befindlichen Fahrzeuge bereits 35 Jahre alt.
Ende der 80er Jahre war bereits ein Trend zur weltweiten Einführung von Niederflurfahrzeugen erkennbar.
Bei den Wiener Linien entschloss man sich diesen innovativen Weg einzuschlagen.
Von den Wiener Linien wurde bei der Fahrzeug-Neubeschaffung eine 100%-Niederflurlösung mit bestenfalls sehr flachen Rampen angestrebt, da Stufen im Wageninneren einen potentiellen Unsicherheitsfaktor für Fahrgäste bedeuten.
Die Fahrzeugbreite sollte, um günstige Platzverhältnisse zu schaffen, unter Berücksichtigung der Hüllkurve möglichst groß gewählt werden, sie war aber mit
2,4 m (bisher 2,2 m) begrenzt.
Das Konzept sollte, bei gleichen Konstruktionsmerkmalen, für einen kurzen Wagentyp mit etwa 140 Personen Fassungsraum bei etwa 24 m Länge und einem langen Wagentyp mit etwa 230 Personen Fassungsraum bei etwa 35 m Länge, anwendbar sein.
Im Jahre 1989 wurde der zur Hauptuntersuchung anstehende Gelenktriebwagen E1 4498 (Baujahr 1969) der Firma Elin-Energieanwendung zum Einbau einer Drehstrom-Antriebsausrüstung zur Verfügung gestellt.
Die Inbetriebnahme des Fahrzeuges erfolgte im Herbst 1991.
Nach umfangreichen Erprobungen wurde das Fahrzeug seit Frühsommer 1992 im normalen Fahrgastbetrieb eingesetzt
DER ERSTE VERSUCHSTRÄGER
Parallel zu der beschriebenen Drehstrom-Antriebsentwicklung bei dem Wagen E1 4498 fanden seitens der Industrie Systemüberlegungen in Richtung Einzelrad-antrieb statt, da sich nur ohne Radsatzwelle zwischen den beiden Rädern eines Fahrwerkes die Möglichkeit ebener Einstiege von einer Bordsteinkante aus ohne Zwischenstufen im Wageninneren bietet.
Wegen der nun fehlenden Achsverbindung und des damit fehlenden Gleichlaufes der gegenüberliegenden Räder war nun der für ein Schienenfahrzeug "lebens-notwendige" Sinuslauf im Gleis nicht gegeben. ___
Als Antriebstechnik wurde wieder die bewährte Asynchron-Lösung ausgeführt und die Nachbildung des Sinuslaufes einer Momentensteuerung übertragen. Weiters war ein Einbauraum für den Motor zu finden. Die zündende Idee war, den bei allen bisherigen Gelenkfahrzeugen im Bereich außerhalb des Dreh-kranzes "verschenkten" Raum dafür zu nutzen, womit das Portalfahrwerk geboren war.
Portalfahrwerk
Die Portalkonstruktion wurde von SGP auch als das Lenk´sche Gelenk nach seinem Erfinder Oberingenieur Leopold Lenk benannt.
Ing. Leopold Lenk |
Symetralen- und Transversalsteuerung |
Die mittleren Portalfahrwerke werden durch eine Symmetralsteuerung in Abhängigkeit von dem sich bei Bogenfahrten ein-stellenden "Knickwinkel" zwischen den beiden Wagenteilen über eine entsprechende Hebelanordnung in die Winkel-halbierende gesteuert.
Bug- und Heckportal sind als "falsche" Gelenkportale ausgeführt, sie können sich ebenfalls radial einstellen, enthalten aber keine Gelenkstellen des Wagenkastens.
Um ihre Radialeinstellung im Bogen zu gewährleisten, wird die Transversal-steuerung angewendet; dabei ist das Bug- bzw. Heckportal über Lenkstangen mit Winkelhebeln verbunden. Bei der Bogenfahrt wird das Bugportal durch das Anlaufen der Räder an der Schiene in Bogenrichtung mitgenommen, wobei im ersten Augenblick eine Fehleinstellung der Räder erfolgt.
Der Bogen selbst wird in exakter Radialeinstellung der Räder durchfahren.
Bei der Bogenausfahrt tritt der gleiche Effekt in umgekehrter Reihenfolge ein.
Die Richtigkeit dieser theoretischen Überlegungen sollte von einem Versuchsträger nachgewiesen werden.
Dieser entstand aus zwei alten c2-Beiwagen, welche von SGP entsprechend adaptiert und mit zwei vorerst nicht angetriebenen Gelenkportalen und einem Niederflur-Mittelteil versehen wurde.
Der noch nicht motorisierte Versuchsträger wurde mit einem E1-Triebwagen gekuppelt und für Versuchsfahrten geschleppt.
Da sich schon bei den ersten Versuchsfahrten sehr gute Laufeigenschaften des Versuchsträgers zeigten, wurde die Eigenmotorisierung mit vier Fahrmotoren in Angriff genommen.
Diese wurden in die beiden Gelenkportale eingebaut, sie trieben den insgesamt 51 t schweren Versuchszug an.
Nach der Motorisierung wurde der Versuchsträger mit dem zweiachsigen Triebwagen 541 (Type L) gekuppelt.
Der Versuchsträger wurde vom L-Triebwagen aus fern bedient, er diente bei den Laufversuchen daher nur als Steuerwagen und nicht als Zugmaschine.
Die Stromversorgung des Versuchträgers erfolgte über den Stromabnehmer des L 541.
Am 6.11.1991 wurde der Versuchsträger unter Beisein des Wiener Bürgermeisters Dr. Helmut Zilk und des Stadtrates Johann Hatzl der Presse vorgestellt.
DER ERWEITERTE VERSUCHSTRÄGER
Die erzielten Versuchsergebnisse bei Geschwindigkeiten bis zu 65 km/h waren derart überzeugend, dass SGP und Elin Anfang 1992 beschlossen, den vorderen Beiwagenteil des Versuchsträgers durch einen im "Porsche-Design" ausgeführten Kopfteil mit echtem Bug-Portalfahrwerk zu ersetzen.
Als Antriebskonzept wählte man drei Motoren je Wagenseite.
Das Fahrzeug war antriebsmäßig nunmehr vollkommen autark ausgeführt, der L 541 als "Steuer und Bügelwagen" wurde nicht mehr gebraucht.
Der Versuchsträger hat mehr als rund 30.000 Fahrkilometer in allen Teilen des Wiener Straßenbahnnetzes zurückgelegt, ohne dass es infolge der niedrigen Fußbodenhöhe von nur 152 mm im Einstiegsbereich zu Schwierigkeiten mit der Fahrbahngeometrie gekommen ist.
Auch eine bewusste Wintererprobung in den Monten Jänner und vor allem März 1993 zeigte, dass sich der Niederflurwagen infolge des in den Bugspoiler integrierten Schneepfluges keinesfalls schlechter als ein herkömmliches Fahrzeug verhalten hat.
Am 30.11.1992 wurde das Fahrzeug in der Zentralwerkstätte unter Beisein des Wiener Bürgermeisters der Presse vorgestellt und die Entscheidung für die neue Niederflurstraßenbahn bekannt gegeben.
Im Mai 1993 wurde die Presse zu einer Ring-Rundfahrt mit dem Versuchsträger eingeladen.
Bei der Rückkehr in die Endstelle der Linie D war auf Grund einer Schulfahrt der E1 4498 - Drehstromtriebwagen - anwesend und so ergab sich per Zufall ein Foto von zwei Versuchsfahrzeugen nebeneinander.
Am Tramwaytag 1993, im Bahnhof Gürtel, war der Versuchsträger erstmals dem Publikum zugängig.
Einen seiner letzten Auftritte vor Publikum hatte der Versuchsträger 1994 beim Tramwaytag in der Zentralwerkstätte.
Aus den Erfahrungen mit dem Versuchsträger begann SGP bereits 1994 mit dem Bau der Prototypwagen.
DIE ENTSCHEIDUNG
Am 30.11.1992, am späteren Nachmittag war eine Pressekonferenz in der Zentralwerkstätte der Wiener Linien angesetzt.
Bürgermeister Dr. Helmut Zilk, Finanzstadtrat Hans Mayr, Generaldirektor Dr. Karl Skyba und Direktor DI Günter Grois (Wiener Linien) waren die Gastgeber zu einer Informationsveranstaltung rund um die Wiener Niederflurstraßenbahn.
Ein eigens für Demo-Zwecke konstruierter Niederflurmodul sollte das zukünftige Innenleben der Wiener Straßenbahn im Modell 1:1 veranschaulichen.
Letztendlich verkündete Bürgermeister Dr. Helmut Zilk, dass die Entscheidung für alle Beteiligten nicht sehr einfach war, aber nun zu Gunsten von SGP gefallen ist.
Die gravierendsten Kriterien waren das Vorhandensein eines 1:1 Modell, welches im Betrieb erfolgreich erprobt wurde, sowie der Wirtschaftsstandort Wirtschafts-standort Wien des Produzenten und damit Wertschöpfung für die heimische Wirtschaft.
Im Anschluss an die Pressekonferenz erfolgte eine Probefahrt mit dem Versuchsträger am Werksgelände der Zentralwerkstätte.
DIE PROTOTYPEN
1994, noch während der Erprobung des Versuchsträgers wurde bereits mit dem Bau der Prototypen begonnen, wobei die beim Versuchsträger gewonnen Erkenntnisse laufend bei den Prototypen technisch realisiert wurden.
Das erste kurze Fahrzeug wurde im März 1995 an die Wiener Linien ausgeliefert.
Am Morgen des 29.3.1995 um ca. 1 Uhr 30 öffneten sich die Tore beim Straßen-bahnanschluss der SGP in Wien Simmering.
ULF 1 stand aufbruchsbereit am Vorhof.
Im Inneren des Fahrzeuges waren einige Messgeräte und Laptops aufgebaut.
Die Mitarbeiter von SGP und der Wiener Linien waren beschäftigt alles für die Abfahrt einzurichten.
Am Vormittag des 29. März 1995 präsentierten Verkehrsstadtrat Johann Hatzl und die Wiener Linien die Straßenbahn der Zukunft der Presse.
In der Zentralwerkstätte erfolgte die eigentliche Inbetriebsetzung des Fahrzeuges mit der Einstellung aller Steuer- und Regelparameter.
Bereits Ende April 1995 begannen die Abnahmefahrten mit der Aufsichtsbehörde.
Als Prototypenfahrzeug war ULF 1 natürlich nicht vollendet und so kehrte die Niederflurstraßenbahn auch immer wieder ins Herstellerwerk zu SGP zurück um Änderungen zu erfahren.
Zusätzlich wurde das Fahrzeug auch immer wieder Tests unterzogen, wie zum Beispiel Kältetests im Klimakanal, damals noch im Arsenal.
ULF 1 wurde mit einem Straßenroller angeliefert und auch wieder abtransportiert.
Aus Platzgründen in der Geiselbergstrasse musste das Transportfahrzeug den Gleiskörper der Linie 6 befahren.
So ergab sich die eigenartige Situation einer Straßenbahn auf einem Gleiskörper, ohne dass ihre Räder die Schienen berührten.
Der offizielle Startschuss für die Niederflurstraßenbahn erfolgte am 18. Mai 1995.
An diesem Tag übergab das Konsortium SGP Verkehrstechnik / Elin / Siemens ihr revolutionäres Produkt an die Wiener Linien.
Natürlich konnte das nicht auf einfache Art und Weise erfolgen und so wurde mitten in Simmering ein beeindruckendes Show-Spektakel inszeniert.
Nach den Ansprachen von Dkfm. Gernot Kindelmann - Vertreter des Konsortiums, DI Günter Grois - Direktor der Wiener Linien, Dr. Karl Skyba - Generaldirektor der Wiener Stadtwerke und Verkehrsstadtrat Johann Hatzl durfte ein Showblock mit Pferdetramway, Porsche und Tanzeinlagen nicht fehlen.
Doch dann war es soweit - schemenhaft tauchte die Front aus dem Nebel auf, dann etwas mehr, ULF 1 bahnte sich seinen Weg vor das Zuschauerzelt.
Applaus kam auf, die Musik schwenkte auf einen Walzer von Johann Strauß über und das Ballett tanzte.
Gegen Mittag herrschte Aufbruchstimmung.
Ein Traktor schob ULF 1 zum Aus-fahrtsgleis, wo aufgebügelt wurde.
Vor Abfahrt gibt es noch eine kleine Demonstration über die behindertengerechte Rampe des Fahrzeugs.
Für Eingeweihte und Aufmerksame war eine weitere Überraschung von SGP-Verkehrstechnik vorhanden.
Ein kleiner elitärer Kreis schritt auf die andere Seite des Vorhofs in Richtung eines weißen Vorhangs.
ULF 601, der zweite Prototyp. Dieser musste im Schatten stehen um nicht dem kleinen Bruder die große Show zu stehlen.
Um ca. 12 Uhr verließ der total volle ULF das Werksgelände der SGP um zum Bahnhof Favoriten zu fahren.
Dort warteten bereits die Mitarbeiter auf das Fahrzeug und die Gäste.
Unter den Willkommensklängen der Wiener Linien-Musik fuhr ULF 1 durch den Bahn-hof um anschließen zur Halle 3 zurückzuschieben. Vor der Halle fand eine kleine Begrüßung durch den Generaldirektor der Wiener Stadtwerke und dem Direktor der Wiener Linien statt.
Somit war das Fahrzeug offiziell in seinem Heimatbahnhof angelangt.
ULF 1 war immer im Bahnhof Favoriten stationiert. Sein Einsatzgebiet war die Linie 65 und 67.
Für den 1.5.1995 musste erstmals der damals noch traditionelle Mai-Aufputz für die neue Niederflurstraßenbahn überdacht werden.
Am 22.5.1995 erfolgte die Auslieferung des langen ULF 601 an die Wiener Linien. Auch er wurde im Bahnhof Favoriten stationiert.
Inzwischen waren Personalschulungen notwendig geworden, da ja beide Fahrzeuge im Personenverkehr getestet werden sollten.Am 6.12.1995 gab es für ULF 601 die Presse-Vorstellung und danach den Einsatz im Fahrgastbetrieb.
DIE SERIENFAHRZEUGE
Die erste Ausführung (Type A und B)
Am 18.11.1996 erhielt SGP-Verkehrstechnik von den Wiener Linien den Auftrag zum Bau der Niederflurstraßenbahn ULF.
Das Fahrzeug wird bislang in zwei Varianten gebaut, dreiteilig in einer Länge von 24,21m (Type A - Wagen 1ff), sowie fünfteilig in einer Länge von 35,47m (Type B - Wagen 601ff).
Als Liefertermin wurde 1996 vereinbart. Auf Grund von Lieferproblemen der Zulieferfirmen an SGP-Verkehrstechnik konnte der der erste Serienwagen, A 2 erst am 25.11.1997 an die Wiener Verkehrsbetriebe übergeben werden.
Danach folgten Einstellungsarbeiten am Fahrzeug und fasst ein Jahr lang der zähe (unerforschte) Weg der Genehmigungsprozeduren.
A 2 ging erst am 25.9.1998 in Betrieb.
Bereits im Juni 1998 standen erstmals die Serienwagen A 3 und B 602 im regulären Personenverkehr.
Die ersten Wagen wurden alle im Bahnhof Favoriten stationiert.
Dieser war der erste Betriebsbahnhof, welcher für die Wartung der Niederflurfahrzeuge adaptiert wurde.
Vorerst war das Einsatzgebiet der Type A die Linie 65 und der Type B die Linie 67.
Anlässlich der EU-Jugendsporttage am Schwarzenbergplatz fuhren an einem einzigen Tag, dem 19.9.1998, Niederflurwagen auf der Linie D - als Einlagezüge Börse - Südbahnhof.
Ab Anfang April 1999 kam es dann auch auf der Linie 6 zu regelmäßigen Einsätzen der Type B.
2002 wurden die beiden Prototypem an die Serienfahrzeuge angeglichenen und im Oktober ausgeliefert (A 1 - 31.10.2002, B 601 - 10.10.2002).
Am 24.1.2003 wurde im Werk von Siemens SGP Verkehrstechnik in Wien Simmering A 32 als hundertster ULF im Rahmen einer kleinen Feier an die Wiener Linien über-geben.
Zirka fast 10 Jahre nach Erst-Auslieferung des Prototypen B 601 rollte am 04.08.2005 der hundertste lange ULF, Wagen 700 aus dem Werk in der
Am 15.9.2005 folgte B 701, wodurch das erste Kontingent der Type B ausgeliefert war.
Mittlerweile wurden die Niederflurfahrzeuge nicht mehr auf einzelne Linien kon-zentriert, sondern großflächig aufgeteilt.
Im Zuge einer kleinen Feier am Karlsplatz konnte mit A 51 der hundertfünfzigste Niederflurwagen am 20.10.2005 an die Wiener Linien übergeben werden.
Mit diesem Wagen endet das Kapitel der Typen A und B.
Bereits am 15.6.2004 schlossen die Wiener Linien, Siemens und Elin einen Vertrag über die Lieferung weiterer 150 Fahrzeuge ab.
Die zweite Ausführung (Type A1 und B1)
Die nachfolgende Bauart mit der Typenbezeichnung A1 (kurzer Wagen) und B1 (langer Wagen) sollte sich in einigen Punkten von der bisherigen Bauart unter-scheiden.
Erkenntnisse aus dem laufen Betrieb, Adaptierungen, Kundenwünsche und neue Technologien flossen in die Fertigung der neuen Bauart ein.
Als markanteste Beispiele sind hier die luftgekühlten Motoren, andere Anordnung der elektrischen Ausrüstung und die Klimaabsenkanlage im Fahrgastraum anzuführen.
2006 lief die Produktion der neuen Wagen im Werk Simmering an.
Das erste Ergebnis war der kurze ULF, Wagen 52.
Wegen der diversen Änderung und der Verwendung von neuen Materialien erschien es sinnvoll den Wagen im Klima-Windkanal zu testen um im Vorfeld Änderung oder Verbesserungen vornehmen zu können.
Am 18.1.2007 wurde der A1 52 im Rahmen einer Roll-Out-Feier von Siemens an die Wiener Linien übergeben.
Langwierige Betriebsgenehmigung (wie könnte es anders sein) und Personal-schulungen machten erste einen Einsatz ab 26.11.2007 möglich.
Die ersten neuen Wagen wurden im Bahnhof Rudolfsheim stationiert und auf den entsprechenden Linien eingesetzt.
Mit Lieferung des A1 91 war das erste Kontingent der neuen kurzen ULF erledigt.
Im März 2009 waren die ersten langen Wagen im fertig werden.
Mit Wagen 702 kam am 20.03.2009 auch der erste lange Wagen, Type B1, auf das Wiener Gleisnetz.
Die Stationierung erfolgte im Bahnhof Hernals, der Einsatz auf den zum Bahnhof gehörenden Linien.
Im Juli 2009 kam es durch einen Brandvorfall zu einer Aussetzung der Fahrzeugauslieferung.
Als Sofortmaßnahmen seitens Siemens bei den neuen Fahrzeugen und seitens der Wiener Linien bei den ausgelieferten Wagen der ersten Bauart wurde eine technische Änderung durchgeführt.
Durch die am 4.2.2010 präsentierte von einem Gutachten gestützte und von der zuständigen Aufsichtsbehörde (MA 64) genehmigte Lösung wird verhindert, dass sich ein derartiger Vorfall wiederholen kann.
Ab diesem Tag nahmen die Wiener Linien wieder ULFs ab und Lieferung konnte fortgesetzt werden.
Mitte Mai 2010 startete das Forschungsprojekt Eco-Tram.
Ein Konsortium, bestehend aus Rail Tec Arsenal, SCHIG mbH, Siemens, Technischer Universität (TU) Wien, Vossloh Kiepe und Wiener Linien sollte Einsparungs-potentiale beim Energieverbrauch bei Fahrzeugen der Wiener Linien finden.
Als Testobjekt wurde der A1 57 ausgewählt und in den Klima-Windkanal überstellt.
DIE TECHNIK
Tragende Idee des Konzeptes ist die Aneinanderreihung von Fahrzeugkästen und Portalfahrwerken mit angetriebenen oder auch nicht angetriebenen, im Bogen radial gesteuerten Losrädern wobei je ein Kasten im Portalfahrwerk aufgehängt, der andere an diesem aufgesattelt ist.
Das Bugportal (vorderstes Modul) und Heckportal (hinterstes Modul) sind in den Kasten drehbar eingehängt.
Die Längsmitnahme zwischen den Wagenkästen einerseits und dem Portalfahrwerk andererseits erfolgt bei Kästen und Fahrwerk auf völlig unterschiedliche Weise. Die Kastenverbindung wird durch ELGES-Lager hergestellt.
Sie ermöglichen sowohl die Längsmitnahme, als auch die räumliche Drehbewegung in allen drei Freiheitsgraden.
Im unteren Portalbereich wird die Längsmitnahme über zwei seitliche, an den Symmetralenrahmen angeschlossene, um die Querachse drehbar gelagerte Lenker hergestellt.
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Die Symmetralensteuerung übernimmt zusätzlich zur Längsmitnahme der Portale noch eine zweite Aufgabe, nämlich deren Einschwenkung in die Winkelhalbierende der bogenradiusabhängigen Kastenausdrehung, also in die zum Gleis radiale Stellung bei Bogenfahrt.
Am Bug- und Heckportal lässt sich hingegen dieses Steuerungsprinzip in Ermangelung eines Stellwinkels nicht verwirklichen.
Die Radialstellung erfolgt deshalb von den jeweils benachbarten Fahrwerken über die so genannte Transversalsteuerung.
Den Antrieb und die Bremsung der Fahrzeuge übernehmen seitlich im Portal eingehängte Antriebs- und Bremseinheiten, die neben dem Motor und dem Getriebe darüber hinaus die Kupplung, die hydraulische Bremse, die Bremsscheibe und den Bremssattel in sich vereinen.
Angetrieben sind beim dreiteiligen Zug die Mittelportale und das Heckportal, beim fünfteiligen lediglich die Mittelportale.
Die Motoren der ersten ULF-Generation sind wasser-, die der zweiten Generation luftgekühlt.
Fahrzeuge der ersten Ausführung sind mit örtlich getrennten statischen Umformern ausgestattet (Type A mit 2, Type B mit 3).
Die zweite Ausführung (Type A1, Type B1) benötigt nur mehr zwei, in einem gemeinsamen Gehäuse befindliche Umformer.
Die Niederflustraßenbahn ist mit einer generatorischen Bremse ausgestattet, welche bei einer generatorischen Bremsung die von den Motoren erzeugte Bremsenergie, bei entsprechend aufnahmefähigem Netz, in das Netz rückspeist.
Die Räder der antriebslosen Bugportale sind zur Unterstützung der generatorischen Bremse mit einer stufenlos gesteuerten und gleitschutzgeregelten „aktiven“ elektrohydraulischen Bremse ausgestattet.
Jedes Rad in den Antriebsportalen beider ULF-Ausführungen hat als Halte- bzw. Feststellbremse eine elektrohydraulische Federspeicherbremse.
Der kurze ULF hat acht (vier je Wagenseite), der lange ULF hat zwölf (sechs je Wagenseite) Schienenbremsmagnete. |
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DAS DESIGN
Die Niederflurstraßenbahn ULF ist heute ein fester Bestandteil des Wiener Stadtbildes und wurde sowohl von der Einrichtung als auch vom Design her von den Wienern sehr rasch akzeptiert.
Bereits in der Entwicklungsphase wurde die Firma Porsche Design / Zell am See für die Entwicklung eines professionellen, modernen Designs beauftragt
Der lange Weg vom ersten Entwurf über das Design bis zum heutigen Fahrzeug:
DIE FAHRZEUGAUSSTATTUNG
Die Niederflurstraßenbahn ULF ist aus Fahrzeugkästen und Portalfahrwerken aufgebaut.
Die einzelnen Elemente sind in Stahlleichtbauweise gefertigt, einige Teile sind aus Stahlguss. Die Außenverkleidung besteht aus Kunststoff, Blechen und GFK-Teilen (glasfaserverstärkter Kunststoff), bei der zweiten Ausführung auch aus Aluminium.
Am Bug und Heck ist eine Rammbohle als Stoßfänger etabliert.
Die kurzen Wagen sind mit fünf zweiflügeligen, elektrisch betriebenen Schwenkschiebetüren ausgestattet, die langen Wagen mit sieben.
Bei der ersten Fahrzeug-Ausführung waren anfänglich die Wagen bei der ersten Tür mit einer ausfahrbaren Rampe ausgerüstet.
Spätere Fahrzeuge wurden bereits mit Klapprampen ausgeliefert. Die ausfahrbaren Rampen bauten die Wiener Linien im Zuge von Fahrzeuguntersuchungen auf Klapprampen um.
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Im Bugteil des Fahrzeugs, hinter der Fahrerkabine ist ein Rollstuhlplatz vorgesehen, bei jeder Türe gibt es einen Kinderwagenplatz.
Die helle Innenraumverkleidung wirkt sympathisch, hat aber den Nachteil der raschen Verschmutzung. Ursprünglich kamen gepolsterte Sitze zum Einbau.
Auf Grund von Vandalismus, aus hygienischen Gründen und für die schnellere und einfachere Reinigung werden mittlerweile nur mehr Kunststoffsitze eingebaut.
Ältere Wagen werden bei Gelegenheit auf die neuen Sitze umgerüstet.
Die Sitze und auch alle anderen Kunststoffteile im Wagen bestehen aus Sicherheitsgründen aus schwer entflammbarem Material. Haltegriffe und Haltestangen sind in hellen Farben, für auch sehschwache Fahrgäste gut erkennbar, ausgeführt.
Fahrzeuge der ersten Generation haben eine Wagenheizung, die weitgehend aus der beim Bremsen entstehenden Energierückgewinnung versorgt wird. Bei der zweiten Ausführung wurde auf Kundenwunsch eine Temperaturabsenkanlage eingebaut, welche auch eine Heizmöglichkeit hat.
Alle Fahrzeuge der zweiten Ausführung sind mit Temperaturfühler und Rauchmelder, welche eine Information an den Fahrer weitergeben, ausgerüstet.
Für die Fahrgastinformation gibt es sowohl Außen- und Innenanzeigen. Als Außenanzeigen sind Linien- und Fahrzielanzeigen in Form vollprogrammierbarer Matrixanzeigen eingesetzt, wobei in Bug und Heck des Fahrzeuges je eine integriert Linien- und Fahrzielanzeige angeordnet ist.
An der Türseite kommen für den kurzen Wagen eine, für den langen Wagen zwei integrierte Linien- und Fahrzielanzeigen zur Anwendung.
Fensterseitig sind beim kurzen Wagen eine, beim langen Wagen zwei zweiziffrige Linienanzeigen eingebaut.
Seit 2010 werden neue, besser sichtbare Außenanzeigen getestet.
Die Innenanzeigen informieren über Fahrziel, die nächste Haltestelle und dass der Wagen anhält.
Die Haltestellenansage erfolgt über einen statischen Sprachspeicher.
Die Fahrzeuge sind im Bereich des ersten Moduls mit einem Fahrkartenautomaten und in einigen Bereichen mit Entwertern der in Wien üblichen Bauart ausgerüstet.
Der Fahrerstand wurde in einer Untersuchung der Technischen Universität Wien aus ergonomischen Gesichtspunkten in Form einer eigenen Kabine gestaltet und dient auch zum persönlichen Schutz des Fahrers.
Wagentype A und B |
Wagentype A1 und B1 |
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Mittlerweile sind alle Fahrzeuge mit dem Dreilichtspitzensignal ausgerüstet, bestehend aus 2 abblendbaren Scheinwerfern und der Dachleuchte. Alle Fahrzeuge der ersten Ausführung haben eine zusätzlich „aufgesetzte“ Dachleuchte. Bei der zweiten Ausführung wurde die Leuchte bereits in das Dach integriert und ist in LED-Technologie ausgeführt.
Wagentype A und B |
Wagentype A1 und B1 |
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Vorne, hinten und seitlich in den ersten und vorletzten Portalabdeckungen sind die Leuchten der Blinkeranlage installiert. Im Heck der ersten Ausführung gibt es zwei vierteilige Leuchten (Bremslicht, Rückfahrscheinwerfer, Begrenzungslicht, Blinker), bei der zweiten Ausführung sind die Leuchten nur mehr dreiteilig (Brems- und Begrenzungslicht kombiniert, Rückfahrscheinwerfer, Blinker).
DIE MITBEWERBER
Bombardier legte im August 1992 ein Konzept - Niederflurstrassenbahn "Cityrunner" für Wien - vor.
Als Grundkonzeption war eine kurze, fünfteilige (Type A) und eine lange, siebenteilige Version (Type B) vorgesehen. Die Fußbodenhöhe wurde mit 300mm, im Einstiegsbereich mit 250mm SOK angegeben, das gesamte Fahrzeug wurde als stufenlos begehbar dargestellt.
Die Jenbacher Transportsysteme AG (JTS) und AEG Austria beteiligten sich gemeinsam an der Ausschreibung.
Das Fahrzeug wurde in der Öffentlichkeit als "freundliche Wienerin" publiziert.
DIE LIEFERDATEN
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